Liebe LeserInnen, liebe FreundInnen des RhythmikStudio!

Wir möchten in diesem Newsletter auf ein sehr zentrales Thema der Rhythmik zu sprechen kommen, nämlich über die Rolle der live gemachten, improvisierten Musikin den RhythmikStunden. Dieses Thema hat uns auch beim Elternabend am 13.11.19 beschäftigt:

Die Verbindung von Musik & Bewegung wird in der Rhythmik besonders deutlich
Der Musikalische und der Bewegungsbereich sind in der Künstlerischen Pädagogik der Rhythmik sehr eng miteinander verbunden:

Die rhythmisch-musikalischen Spielsituationen sind meist mehrdimensional, da die TeilnehmerInnen sich oft experimentierend mit einem Rhythmik-Material im oder auch durch den Raum bewegen und das in der Gruppe. Die Übergänge von der einen zur anderen musikalischenCharakteristik und Dynamik sind fließend und spiegeln sich in den Spielübergängen wider. Daher ist es eine Spezialität der Rhythmik-PädagogInnen mit ihren musikalischen Fähigkeiten die Bewegung des/der Einzelnen aber auch der Gruppe anzuleiten und zu begleiten.

Vielfältigkeit des musikalischen Liveeinsatzes mit dem Hauptinstrument des /der Rhythmik-PädagogIn: Klavier, Gitarre, Violine, aber auch mit Gesang, Bodypercussion, Zweckfremder musikalischer Einsatz von Gegenständen, Kleines Schlagwerk etc.
Rhythmik-PädagogInnen absolvieren eine umfangreiche Künstlerisch-pädagogische Ausbildung an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in den Bereichen Musik & Bewegung und deren Verbindung zueinander und zu Material – Stimme & Sprache – Bildnerisches Gestalten. Nach vier Jahren schließen sie ihr Studium mit dem Bakkalaureat und nach fünf bis sechs Jahren mit dem Wissenschaftlichen Ergänzungs-, dem Mastertitel (früher Magistertitel) ab. Mehr Infos dazu www.mdw.ac.at

Nun drängt sich jedoch die Frage auf: Wie und warum aber setzen wir das individuelle Hauptinstrument etc. für unsere Live-Musik in der Rhythmik-Stunde ein?

Unmittelbarkeit des Einsatzes und der Vorzug der Situationsanpassungsfähigkeit ans aktuelle Spielgeschehen, samt seiner, sich spontan ergebenden Herausforderungen
Bewegungsleitung und Bewegungsbegleitung: Gerade die Unmittelbarkeit der Übersetzung von Bewegung in Musik und umgekehrt schafft eine ganz spezielle Zugangsebene zu unseren Rhythmik-TeilnehmerInnen. Vieles lässt sich ohne Worte, rein mit den musikalischen Mitteln kommunizieren.

Bewegung wird als musikalische Ausdrucksform und Musik als bewegungsgeeignete Inspiration erfahrbar und der kreative Transfer zur Lösung von Aufgabenstellungen mit den eigenen Ideen und Möglichkeiten. Oft staunen wir, auch bei Gruppen mit recht jungen Kindern, wie eindeutig sie eine Musik zuordnen und dies fortbewegungsmäßig erkunden und umsetzen können, z.B. bei Flugtieren: Hören die Kinder am Ende der ‚Flugphase’ eine absteigende Melodielinie, die sich allmählich verlangsamt, so landen sie als Schmetterlinge, Vögel, Insekten, ja sogar Flug-Dinosaurier etc.

Dies bedarf nicht unbedingt eines vorangehenden „Briefings“, denn die Kinder sammeln in unterschiedlichsten Spielsituationen der Rhythmik-Stunden Erfahrungen in der Selbst-verständlichkeit des Experimentierens und Ausprobierens unterschiedlicher Möglichkeiten mit ihrem wachsenden Reichtum an kreativen Ideen.

Da Rhythmik-Stunden gemeinsam mit den anderen Kindern der Rhythmik-Gruppe stattfinden, ist neben der Freude an den gemeinsamen Erlebnissen und sich potenzierenden Ideen, vor allem bei Fortbewegungsphasen auch der Sicherheitsaspekt ein ständiger Begleiter.

Livemusik gibt uns die Möglichkeit auf zu erwartende oder sich bereits abzeichnende Situationen vorausschauend zu agieren, bzw. umsichtig zu reagieren: Ein schneller musikalisch angeleiteter Richtungswechsel oder Stopp hat schon so manchen Zusammenstoß in vollem Lauf verhindert.

Wie wird das in den Gruppen erarbeitet und verankert, dass es dann so mühelos eingesetzt werden kann?

Abrupte und gleitende dynamische Veränderungen bzw. musikalische Übergänge
Verabredete und im Spiel erprobte Reaktions-Keys wie z.B. 1x, 2x oder 3x zwischen dem Trommeln zu klatschen des/der Rhythmik-PädagogIn – oder spezielle Klangsignale am Klavier – sind im RhythmikStudio frühe Spiel-Zutaten in den Fortbewegungsphasen – wenn die Gruppe schwungvoll im Raum in der gleichen Richtung unterwegs ist, denn diese musikalischen Keys bedeuten ‚Richtungswechsel’, ‚Hoppla doch keiner!’ oder gar ‚Gleiche Richtung aber rückwärts herum’. Ein lauter Trommelschlag/’Slap’ oder auch plötzlicher Stop fordert eindeutig dazu auf, stehen zu bleiben oder gar zu einer Statue zu erstarren.

Diese und andere Reaktions-Keys regen das genaue Hinhorchen und die Bereitschaft zur Selbststeuerung und zum blitzschnellen Umschalten an. Schon dadurch ist die nötige Umsicht für die Gruppe im ständigen Trainingsrepertoire.

Die Meisterschaft dabei: Sich zB nach Abmachung gegen die Laufrichtung der Gruppe zu bewegen und trotzdem Zusammenstöße zu vermeiden („Geisterfahrer-Spiel), stärkt das Gefühl der Selbstverantwortung und damit auch das Selbstbewusstsein, Raumorientierung, Umsicht und Zeitstruktur der Musik.

Die musikalische Bewegungsbegleitung, mit ihren gleitenden Übergängen und Reaktions-Keys, samt des Notsignals eines Stopps, schafft den Sicherheitsrahmen für derartige Musik-Bewegungs-Spiel-Improvisationen.

‚Frische-Garantie’ durch die sich potenzierende Spielfreude zwischen den Kindern und den Kindern und der Rhythmik-Pädagogin / dem Rhythmik-Pädagogen:

Die Fortbewegungsphasen – angeleitet mit im Moment gespielter Musik:

Selbst wenn die Musik der Rhythmik-PädagogInnen für Gehen, Laufen, Galopp, Fliegen, Kriechen etc. als wiedererkennbare Musikstücke wahrgenommen werden kann, so beinhalten sie eine ‚Frische-Garantie’, denn das Harmonie- und Tonmaterial wird variabel und situationsbezogen eingesetzt. Das macht die Rhythmik-Stunden in ihrem musikalischen Geschehen spannend, sowohl für die TeilnehmerInnen als auch für die Rhythmik-PädagogInnen. Die Spielfreude potenziert sich zwischen den sich bewegenden AkteurInnen und auch der Rhythmik-PädagogInnen, die dem Spielgeschehen musikalisch folgen und anleitenden.

Der Rollentausch:
Hier sind wir an einer möglichen Achse des Rollentausches angekommen, denn auch die TeilnehmerInnen probieren sich in der musikalischen Übersetzung von Bewegungen und Bewegungsfolgen aus. Sei es, wenn sie die Bewegungen des/der Rhythmik-PädagogIn mit ihren Körperinstrumenten (Stampfen, Patschen, Klatschen, Reiben etc.), mit ihrer Stimme oder mit Instrumenten des kleinen Schlagwerks musikalisch imitieren oder ob sie mit PartnerIn abwechselnd die Rolle der Bewegung und der Musik erkunden und wechseln. Rollentauschendes Agieren und Reagieren ist hier die Devise, sich als TänzerIn oder/und MusikerIn zu erleben erweitert das eigene Handlungsfeld und die individuellen Kompetenzen wie Wahrnehmungsgenauigkeit, Einfühlungsvermögen, Bewegungen und Musik ‚lesen’ zu können und flexibel interagieren etc. zu können.

Ein weiteres Highlight ist es, als Teil der Gruppe vorübergehend entweder die musikalische oder die bewegte Anleitung zu übernehmen. Selbst eine Trommel, Rassel, Klanghölzer oder ein anderes Instrument zu spielen und damit eine/n PartnerIn in Bewegung zu bringen kann vorerst noch schwierig erscheinen, denn die Bewegungsvorstellungen beim Musizieren bedürfen einer gewissen Klarheit im musikalischen Ausdruck. Wie also agieren, dass eine Bewegungsleitung im Sinne einer Annäherung von Musik zur Bewegung möglich wird? Sich selbst so zu bewegen, dass die Gruppe dem Geschehen musikalisch folgen kann, dadurch die Dynamik von Tempo, Geschwindigkeit, Lautstärke und Akzentuierung anzuleiten, fördert die Klarheit im Ausdruck der Kommunikation.
Im Wechsel der Rollen und auch jener der SpielpartnerInnen liegt ein wunderbarer Fundus an neuen Ideen und Herangehensweisen. Hier wird besonders erlebbar, wie sehr die nötigen Zutaten (Wahrnehmungsfähigkeit, Musikalität & musikalische Vorerfahrung, …) zur persönlichen Verfügung stehen. Entwicklung ist jedenfalls von jedem erreichten Level aus möglich und bedeutet Teil einer musikalischen Improvisation mit PartnerIn oder der Gruppe zu sein…

Teil einer musikalischen Improvisation sein
Die Rolle des/der Rhythmik-PädagogIn als MusikerIn: Die Live-Musik stellt uns Rhythmik-PädagogInnen einen speziellen und umfangreichen Schatz der Künstlerischen Pädagogik der Rhythmik zur Seite, der die nahe Verwandtschaft von Bewegung & Musik erlebbar, erkennbar und benennbar macht. Dieser Schatz will und soll in der Rhythmik-Stunde von Leben erfüllt sein: Die Kenntnis der musikalischen Artikulation, der Phasenverläufe, der musikalischen Dynamik, der metrischen oder ametrischen Gestaltungen von Liedern und Klängen, des Tonraumes, der Tempi wird in die Gegebenheiten der Bewegung, des physischen Erlebens des Körpers im Raum übersetzt. Wie klingt das Springen, das Rutschen, das Rollen, das Aufwärtsstreben, das Abwärtsgleiten oder Fallen, Pausen in der Bewegung oder auch ein Beschleunigen? Der/die Rhythmik-PädagogIn benötigt dafür ein hohes Niveau an musikalischen wie auch tänzerischen – bewegungstechnischen Fähigkeiten und die Erfahrung ihrer Verbindung. Diese Fähigkeit wurde durch intensives Studium angelegt und durch Freude am fortwährenden Praktizieren des Experimentierens & Improvisierens, manchmal auch des Komponierens, in den Rhythmik-Stunden weiterentwickelt.

Die Rolle der TeilnehmerInnen als Musiker: Seitens der TeilnehmerInnen ist es eine Chance sich eine weitere Kommunikationsebene zu erschließen, ja sogar Entwicklungslücken kleiner werden zu lassen oder sie gar zu schließen. Sich mitten in Musik zu bewegen, Musik zu machen, ohne dezidierte Vor-Kenntnisse haben zu müssen und Musik als Kommunikationsmittel zu erleben und zu genießen ruft oftmals ein „Aha-Erlebnis“ bei Kinder, aber auch bei Erwachsenen, hervor, dass es Musik gibt, die jetzt im Moment entsteht.

Zum Schluss noch ein Gedanke:
Die Entwicklung der Gesellschaft fordert es mehr denn je durch Musik & Bewegung zusammen zu kommen und sich aufeinander einzulassen, um sich gemeinsam weiter zu entwickeln. Egal woher jemand kommt oder welche Religion oder auch soziale Bildung ihn zu gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Hilfe anhält. Rhythmik bewegt durch Musik, weil sie die Individualität und das positive ‚Aufeinander-bezogen-sein’ fördert! Weil Menschen gerne zusammenkommen, wo sie als Individuum gemeint und akzeptiert sind, wo gemeinsam gesungen, getanzt, gelacht und gespieltwird. In dieser Hinsicht „musikalisiert“ Rhythmik die Bewegung und – um am Puls zu sein – vor allem live. Vielleicht wird diese gesellschaftliche Dimension auch irgendwann, hoffentlich aber bald, erkannt und Einrichtungen wie das RhythmikStudio öffentlich gefördert.

Wir wünschen allen einen schönen und musikalischen Advent

Mag. Gerald Specht & Mag. Urd Anja Specht

 

P.S. Mir selbst ist immer noch lebhaft in Erinnerung, wie beglückend für mich als Gitarre-Student die Begegnung mit der Künstlerischen Pädagogik der Rhythmik war. Wie sehr die Freude an der lebendigen Verbindung von Musik & Bewegung ihn beflügelt hat, welche Fortschritte er dadurch in seiner persönlichen Entwicklung machen konnte. Und vor allem welch gute Entscheidung es war, durch das nachfolgende Rhythmik-Studium und durch die, gemeinsam mit Mag. Urd Anja Specht geschaffte Gründung des RhythmikStudios, Institut für musisch-kreative Bildung eine zuverlässige und kontinuierliche Basis zu schaffen, vor allem sehr junge Menschen, aber auch Erwachsene in Kursen, Fort- und Ausbildungen zu fördern.